Flussfahrt zur Leomark – der Rote Jäger

So machten sich die Männer und Frauen also auf zum Jolborn, um von dort gen Leomark zu reisen. Als sie schließlich den Fluss erreichten erwartete sie bereits das Schiff, welches neue Vorräte und Mannen für Hadriansblick herbeibringen und die Gruppe um Ritter Samuel fortbringen sollte. Schleunigst betraten alle das Schiff, man hatte keine Zeit zu verlieren. Schon auf der Burg hatte Ritter Samuel den Borharcônerfrauen – Denatha vom Stamme der Korlkei, aus der Sippe der Irl und Kelene, die sich Diante der Maroncu nannte – angewiesen, heligonische Kleidung zu tragen und das Kind Meorte zu tarnen, auf dass der Feind nicht er kenne, wer sich da im Schiff befinde. Kelene wies dies lautstark zurück, wollte sich gar einen Streit mit dem Ritter, den beide Frauen – Denatha respektvoll, Kelene abfällig – nur „Kardvarat“ ansprachen, erlauben, doch dieser duldete kein Widerwort und erklärte den Disput für beendet, bevor er überhaupt ausgetragen werden konnte. Einzig ihre Ehrenzeichen ließ er sie weiterhin tragen, wenn auch unter Umhang und Mantel versteckt. Auch der Ritter selbst trug keine Anzeichen seines Ranges, den Waffenrock hatte er abgelegt und das Drachenhainer Schwert in eine schwere Decke eingeschlagen. In seinem groben, braunen Mantel war er kaum von den anderen Soldaten an Bord zu unterscheiden. Und so legte das Schiff ab, auf dass man bald zu diesem Vorposten zurückkehre, um einen weiteren Schritt im anbrechenden Zwist zu machen. Gerade wurden die Seile gelöst und die Segel den Jolborn hinauf, in Richtung der Leomark gesetzt, da wurde der Blick der Mannen und Frauen an Bord zum gegenüberliegenden Flussufer gelenkt, von wo lautes Getöß von brechendem Holz und klirrendem Stahl zu vernehmen war. Plötzlich kam ein Hühne von einem Mann auf einem geifernden Ross sitzend aus dem Wald, schlank und doch mächtig, in bronzebeschlagener Rüstung, mit roter Mantel, das linke Auge mit rotem Stoff bedeckt, an der Seite ein Speer von Baumstammesgröße. Neben ihm zahlreiche Soldaten, ebenfalls in der blutigen Farbe. Schnell wurden Rufe laut auf der Schiff: der rote Jäger. Niemand hatte in den vergangenen Tagen und Wochen so recht erfahren, wer oder was dieser rote Jäger sei, doch die vagen Berichte reichten, um Entsetzen an Bord auszulösen, ein Entsetzen, ohne so recht zu wissen wovor. Doch was gerade noch die Vorstellung von Schlimmerem war wandelte sich in Sekundenfrist zur Gewissheit des Schreckens. Wie Blut sickerten aus dem Wald die Männer des roten Jägers, unzählige, bewaffnet mit Speer und Schwert, leicht in Leder gerüstet, die Augen voller Hass. Immer weiter quoll die rote Verderbnis aus dem Wald, erst zum Ufer, dann hinein ins Wasser, eine Hundertschaft muss es gewesen sein. An Bord machte man sich kampfbereit, griff zu Äxten, Schwertern und Stoßspeeren um den Angriff abzuwehren, Schilde wurden den Speeren entgegengehalten, die die roten Horden auf das Schiff zu werfen trachteten, das Ruder wurde herumgerissen, um möglichst großen Abstand zu den Angreifern zu gewinnen. Diese versuchten, das Schiff zu erreichen, warfen ihre Speere, doch waren die Drachenhainer schon zu weit entfernt, als dass die Waffen der Roten hätten treffen können. Da gab der Riese, der rote Jäger, ein Kommando an seine Mannen, auf welches diese ihre Versuche unterbanden und zurück an Land kamen. Kurz gab es eine Stille an Land und an Bord, eine ungewisse Stille. War man dem Angriff entgangen? Da stieg der Hühne von seinem Ross und schleuderte den baumlangen Speer mit einer Wucht, die keiner der Drachenhainer je gesehen, dem Schiff nach, wo es mit einem grässlichen Krachen in der Bordwand stecken blieb, die Spitze tief ins Holz gefressen, so dass auf der anderen Seite gar ein Stück wieder herausdrang. Doch dies blieb sein einziger Angriff, schnell entfernte sich das Drachenhainer Schiff, die blutrote Masse hinter sich zurück lassend. Und da verschwanden die Roten wieder im Wald, als ob sie nie da gewesen wären. Ritter Samuel von Turlach ordnete Männer in den Ausguck und Soldaten an die Reling, auf dass man gegen weitere Angriff gewappnet sei und gab dem Steuermann Befehl, schnellstmöglich zur Leomark zu segeln. Ob die Mannen in Hadriansblick von dem Angriff mitbekommen hatten und sich in der Feste zu verteidigen wussten konnte der Turlacher nur hoffen. Sein Auftrag war es jedoch, den Sorebramorer Spross und die Neuigkeiten aus Hadriansblick zu seinem Fürsten zu bringen. Die Fahrt ging ruhig und keine roten Röcke waren in den Wäldern zu erspähen, doch Ritter Samuel beließ die Sicherheitsmaßnahmen bei, bis man in der Leomark ankomme. Die Borharcônerin Denatha wich dem Kinde während der ganzen Zeit nicht von der Seite und verhielt sich stets ruhig. Im Gegensatz dazu machte Kelene aus ihrem Missfallen, diesen Auftrag erhalten zu haben, keinen Hehl und fiel den Drachenhainern immer wieder durch ihr abweisendes und teilweise auch aufsässiges Verhalten, insbesondere gegenüber dem Turlacher, auf. Doch der Ritter ließ sich auf derlei Gezänk nicht ein und wies die Borharcônerin streng in ihre Schranken. Zwei Tage später schließlich passierte man Kratorpoliser Boden, machte dort jedoch nicht halt, sondern segelte eilends weiter, so dass das Schiff am Nachmittag die Leomark erreichte.