Kategorie «Geschehnisse»

Kämpen gesucht!

(Anschlag in sämtlichen heligonischen Städten)
In guten Lohn und Brot gestellt werden heldenhafte Spezialisten, wie wehrhafte Kämpen, felderprobte Magister und gewitzte Fährtenleser.
Als Irreguläre – also unbeeidete Truppen – sollt Ihr Uns, den Drachenhainer Schwertführer, in stuerener Landen Euren getreulichen Beistand und Eure fachmännische Unterstützung bieten, um in gesonderten Missionen dem Fürstentum Drachenhain dienlich zu sein. Der Zeitraum des Einsatzes ist auf den III. Poenamond beschränkt. Interessierte melden sich im Stadtpalast zu Jolbruck.

Gegeben zu Necfurt,
Drachenhainer Schwertführer, Ritter Samuel von Turlach,
im II. Saarkamond 42 n.A.III

An die heligonischen Eindringlinge, jedweden Banners

Wahrlich, lauscht nun dem Canon des Hohen Weisen:

Athial:
So steht das Anramm’sche Relief nun offen, das Zeichen Fuarisfurten frei. Entfesselt ist das Weiße Schild, cam nebst seiner Gleißenden Schar, nach viel Jahrhundertwacht zurücc ins Eidental.

Ragrhial:
Stahl und Aug‘ zerfließet. Feind weicht geblendet und erblicct das Werc. Es soll sein die Zeit der stillen Clingen, auf Schlag folgt Gleißen, auf Stich der Todesglanz, Blutstrom sei Lichterflut. Rot sei Weiß.

Luial:
Das Anramm’sche Relief ist die Herrschaft des Wortes, weiße Eisenbänder bändigen gleichermaßen den Blutrauschenden wie den Kriegslärmenden.

Es waren Eure Farben und Euer Vorrüccen ins seit Jahrhunderte unbesudelte Faerenburg, die dieser Tage Folgen in Gang setzten, die durch ceinerlei Tun noch Handeln rüccgängig zu machen sind!

Wie es die Zeichen zeigen, erklärt sich das Heilig-Herzogtum Stueren nunmehr bereit, vor Ablauf der Clingenheimer Frist, neuerliche Unterhandlung – betreff der Abfassung einer Dehnung der Waffenruhe – von Antlitz zu Antlitz zu gewähren.
Es sei der Unterhändler Obliegenheit, einen rechten Ort der Zusammencunft zu wählen.

Herzog Ruedeger von Heilig-Stueren
Gegeben zu Gyldencron, winters des Jahres 1214,
Dracconianscher Zeitrechnung

(Unter Parlamentärszeichen öffentlich verlesen, in den allianztreuen Neun Städten Necfurt, Orechea und Laurenat, durch ferenmünder Botschafter)

Der Krieg in Stueren – Chronologie ab Ende 41 n.A.III

Der Krieg in Stueren, wenig genug hörte man heuer darüber. Manchem mag dies ein gutes Zeichen sein, doch müssen der Geschichte dieses widerstreitenden Blutvergießens nun von offizieller Stelle neue Abschnitte hinzugefügt werden. So seien dem geneigten Leser die Geschehnisse des letzten Jahres auf den folgenden Seiten zusammenhängend verlautbart:

Ende des Winters 41 bis Frühsommer 42 n.A.III: Die Natur erwacht, der Krieg verbleibt im Winterschlaf
Wieder einmal hatte der gestrenge stuerener Winter den Kampfhandlungen ein Ende bereitet. Die Winterquartiere wurden bezogen. Außer Ausbildung, Drill und Patrouillentätigkeit herrschte jähe Ruhe. Im Niemandsland kam es manchmal zu einem Aufeinandertreffen der Feinde, was mit heftigem Säbelrasseln einherging, doch selten blutig verlief.
Nach den vielen Monden des Krieges, erschöpfender Kämpfe im Hin und Her, schienen zunächst alle drei Parteien ihre Kräfte und Geldsäckel zu schonen. Wie gesagt, kam es zwar ab und an zu kleineren Scharmützeln, aber insgesamt schien keine Seite vorerst größere Anstrengungen unternehmen zu wollen. Dazu Schwertführer Ritter Samuel von Turlach:
„Wir hatten in den letzten Jahren Erfolge erzielt, Gelände gewonnen, den Gegner zurückgetrieben. Aber auch uns hat dies Kraft gekostet. Zusätzlich muss nun jeder Sack Mehl viele Meilen zusätzlich nach vorne gebracht werden. Konsolidierung tut not! Wir sind noch immer Fremde hier, kennen uns noch nicht ausreichend gut aus und sollten sichergehen, dass wir nicht so einfach wieder zurückgeworfen werden können. Zuletzt können wir nicht jedes Jahr für solch große Anstrengungen unsere Kassen plündern.“
Die beiden anderen Parteien schienen es ähnlich zu halten. Ruhig, zumindest nahezu ruhig, blieb es auf den schwertdurchpflügten Feldern.

Sommer 42 n.A.III: Schlag und Rückschlag
Und doch musste sich im Hinterlande der Aurelianer etwas Bedeutsames zugetragen haben. Gerade als das Gerücht einer großen Anwerbung neuer Reisige bis an heligonische Ohren gelangte, befand sich das vergrößerte aurelianische Kontingent auch schon in Marsch gesetzt, gen Mitte des Herzogtums. Die wenigen vorgeschobenen heligonischen Posten fast achtlos beiseite drückend, marschierten die Aurelianer unaufhaltsam und in großer Mannstärke wider das stuerener Kernland, Provinz Faerenburg geheißen. Erst gewannen sie eine Reihe von Scharmützel aufgrund ihrer schieren zahlenmäßigen Überlegenheit, dann banden sie die Verteidiger in einer größeren Schlacht vor Seruaris-Haupt, dem oberen Lauf des gleichnamigen Flusses, aus welcher die Truppen Gräfin Aurelias ebenso siegreich hervorgingen. Von da an gab es für die Eindringlinge kein Halten mehr, und die siegreiche Soldateska drang nahezu unbedrängt auf jenen Boden vor, auf welchen – will man den Angaben der hiesigen Münder Glauben schenken – seit Jahrhunderten keine feindliche Armee mehr vorstieß. Gyldencron, die unberührte Hauptstadt selbst, schien das Ziel und mit einem Mal durchaus in greifbarer Reichweite der Aurelianschen. Im Grunde schien es nur eine Frage der Zeit zu sein, ehe sie an deren Mauern gelangten und die sagenumwobene Stadt unter schwerer Belagerung stellen würden, denn kaum geschwächt, rückte die Armee Aurelias immer weiter vor.
Dann jedoch folgte mit einem Mal der Wendepunkt. Zunächst verloren die Aurelianer eine kleinere vorgesetzte Truppe Plänkler, die ein Seitental sichern sollte. Dem folgte eine andauernde Anreihung schwerer Niederlagen. Die Berichte, die hierüber ins Lager der Drachenhainer und Ostarier gelangte, schienen allzu wirr und in ihrer Ausgestaltung den irren Schrecken des Krieges geschuldet zu sein: so sprachen geflohene Augenzeugen davon, dass die Sterne vom Himmel gefallen seien und Stueren zum Sieg verholfen hätten. Ja, das Licht selbst sei für die Sache des Herzogtums wider seine Feinde ins Feld gezogen. Wie dem auch sei, letztlich wurden die vormals so großen aurelianischen Vorstoßverbände beinahe vollständig aufgerieben. Die restlichen Truppen zogen sich, mehr flüchtend denn geordnet, zurück, bis sie sich auf der Klamm von Dernfall, mittels rasch wiedervereinter Verstärkungen anhaltend stabilisieren konnte. Am Ende gelang es ihnen am Ufer von Seruaris-Fuß doch noch – ein wenig also hinter den Ausgangspunkt ihrer Kampagne zurückgeworfen – den heraus preschenden Stuerenern mit letzter Kraft Einhalt zu gebieten. Die Kampagne Gräfin Aurelias dauerte somit nicht länger als wenige Wochen an, die Schläge waren rasch und hart gefallen. Ehe die Nachrichten auf heligonischer Seite überhaupt recht verarbeitet werden konnten, trafen bereits neue ein, so dass den Unsrigen wenig Gelegenheit und Handhabe zur direkten Einflussnahme blieb.
Das Einsetzen des Herbstregens setze indes all dem ein jähes Ende, durch Schlamm und Matsch erlahmte schließlich auch die Kraft der nachrückenden Stuerener und neugezogene Frontlinien erstarkten einmal mehr.

Herbst 42 n.A.III: Unsicherheiten
Der Herbst brachte zwielichtes, unsicheres Wetter. Und Unsicherheit machte sich sowohl bei den einfachen Männern im Feld, wie auch unter den Kommandeuren des ostarisch-drachenhainer Allianzheeres breit: Welche schreckliche Waffe hatte der stuerener Feind da zu seiner Landesverteidigung eingesetzt? Was war da dran, an den Gerüchten, der vom Himmel fallenden Sterne, sowie brennender Lichtgestalten, den sogenannten Gleißenden?
Ansonsten, auf allen drei Frontseiten wieder einmal reine Patrouillentätigkeit. Die Zeit der großen Schlachten schien zunächst vorbei, allein ein Ringen um Kenntnisse und Einblicke in die Gedanken und Strategien der anderen ergab sich. Scharmützel fanden daher statt. Routen wurden belagert, Kuriere abgepasst. Männer und Frauen gingen verloren. Aber auch die Unsrigen nahmen Feinde zur Befragung in Gewahrsam. Nach und nach ergab sich ein – wenn auch ungenaues – Bild der misslungenen aurelianischen Sommerkampagne wider Faerenburg. Demnach hatten die Aurelianer, einigermaßen heimlich im abgeschirmten Hinterland, ihre Armee gesammelt und dazu große Mengen an Nachschub, Waffen und Rüstung herbeigeschafft – unter den gegebenen Bedingungen wahrlich keine Kleinigkeit. Dank der gelungenen Überraschung, der zahlenmäßigen Überlegenheit und des taktischen Geschicks, glückte ihnen ein schnelles, weitgehend unbedrängtes Vorankommen, bis kurz über die Grenze des Faerenburger Landesteils, der auch oft als das stuerener Kernland bezeichnet wird. Gemäß den Geschichten der in Gewahrsam genommenen Befragten, schütze der Eine das Kernland vor allem anderen. Dorthin entsende er den Seinen in höchster Not die Gleißenden, jene Lichtgestalten, welche mit großer Macht und Kraft ausgestattet seien. Kein Gegner könne ihnen entrinnen – soweit die Mär.
Alsbald senkten sich hernach die ersten Fröste übers unnatürlich stille Land und manch durchwachte Nacht erlebten die Hauptleute der Unsrigen, dank der einen oder anderen quälender Frage:

Wie viel an den Gleißenden ist Wahrheit, wie viel Übertreibung? Würden jene nun auch gegen die ostarisch-drachenhainischen Truppen ins Feld geführt werden?

Zumindest schien der Herbst wieder eine Handvoll Ruhe zu bringen und etwas mehr Zeit zu verschaffen.

Spätherbst 42: Erste Waffenruhe, mündlich verbrieft
Mit Frost, Nebel und Sturm schien sich wieder anhaltende Erschöpfung auf die drei Kriegsgegner zu legen. Kaum noch wallten Kampfhandlungen auf, jeder hielt sich hinter seinen Linien. Gelegentliche feindliche Begegnungen im Feld beschränkten sich auf bloßes Säbelrasseln und Fäuste schwingen. Dem folgte, was in diesem verbissen geführten Konflikt keiner je erwartet hätte: die ersten Unterhandlungen seit Kriegsbeginn. So geschehen im II. Xurlmond 43 n.A.III, vor den Stadttoren Clingenheims, einer der Neun Städte und erklärtermaßen Gräfin Aurelia hoch verbunden. Beauftragte Sendboten – unbestätigten Gerüchten zufolge ein ranelöcher Schreiber, ein herdner Fellhändler und eine Söldnerhaufen-Anführerin aus Necmund – handelten eine allgemeine Waffenruhe bis zum 20. Tag des III. Poenamondes aus.
Wie genau es zu dieser Zusammenkunft gekommen war, ist bis dato unbekannt. Nicht einmal, auf wessen Initiative hin die Gespräche ihren Anfang nahmen wurde verlautbart. Jener unerwarteten Wendung nicht genug, hielt die vor den Clingenheimer Fluren getroffene Abmachung – allen Unkenrufen zum Trotze – überraschender Weise sogar bis in den Winter hinein stand.

Winter 42: Weitere Wende, Stuerener Aufruf an den Verhandlungstisch vor Ablauf der Clingenheimer Frist
Keiner hatte damit gerechnet, und doch ist es ausgerechnet die stuerener Seite, die Anfang des I. Saarka, in einer öffentlichen Verlautbarung (s.u.), erstmals für eine persönliche Unterhandlung – „von Antlitz zu Antlitz“ – aller drei Kriegsparteien wirbt.
Jedenfalls lesen dies die Kundigen und Verantwortlichen des vereinigten ostarisch-drachenhainischen Allianzheeres aus folgender, recht kryptisch zu lesenden Botschaft, die durch einen ferenmünder Botschafter unter Parlamentärszeichen, in den allianztreuen Neuen Städten Necfurt, Orechea und Laurenat, zu Gehör gebracht wurde. Möge diese Zusammenkunft unter dem Schirm der Vier stehen, damit der Krieg endlich ein Ende habe.

Heliosbotenberichterstatter Lorenz Lodengrün, Bericht basierend auf ausnehmend sicheren Quellen aus dem Felde

Der Stuerenkrieg – aus Sicht der Drachenhainer daheim

Seit Jahren, so hört man, verläuft der Konflikt mit dem Herzogtum Stueren mit mehr oder weniger großer Heftigkeit. Umso erstaunlicher ist es, dass die Öffentlichkeit anscheinend kaum Anteil an diesem Konflikt – oder besser: Krieg – hat. Gut, seit geraumer Zeit ist relative Ruhe eingekehrt. Die Fronten werden – neben den verbündeten Truppen Ostariens – von der Drachenhainer Hausmacht, aus Subsidienregimenter der drei alliierten Neun Städten, namentlich Necfurt, Orechea und Laurenat, angeworbenen Landsknechten, sowie einigen anderen gehalten und der einfache Mann aus Drachenhain steht kaum noch im Feld. Aber es wurde doch das eine oder andere Gefecht geschlagen. Was wurde aus den Mannen, die dort in den Farben der Drachenhainer standen? Kaum etwas war oder ist von ihnen zu hören. Da wohl kaum einer sagen kann, er sei informiert, schickte der Helios-Bote seine Schreiber aus, um den einfachen Drachenhainer zu fragen, was denn nun vom Krieg gegen Stueren geblieben ist. Man sehe es uns nach, dass wir weder Namen noch Orte nennen werden, denn die meisten der Befragten wünschten, dass eben diese ungenannt bleiben. Warum, das bleibt der Phantasie des Lesers überlassen. Wir werden hier also nur ein paar Meinungen wiedergeben, die wir in ganz Drachenhain sammelten.

„Krieg? Nein, vom Krieg selbst habe ich kaum etwas mitbekommen. Aber das Leben wurde nicht gerade einfacher. Vor drei Jahren schon erhob der Vogt das Vorkaufsrecht auf Zugtiere und im Namen des Fürsten wurden alle Zugochsen, Esel und Pferde aufgekauft, die auf den Markt kamen. Der Preis den sie zahlten war gut, aber die Tiere wurden weggeführt und kamen auch nicht wieder. Das ging alles solange gut, bis dem ersten Bauern sein alter Zugochse geschlachtet werden musste. Da gab es dann plötzlich keinen neuen, denn der Markt war leergekauft. Und wenn man einen Ochsen haben wollte, dann waren die Summen plötzlich horrend. Immer mehr Bauern müssen deshalb die Milchkühe vorspannen, die aber nun wegen der schweren Arbeit weniger Milch geben. Die Senner klagen nun, dass die kaum noch Käse machen können und schon so manches Kälbchen war zu mager, um das erste Jahr zu überstehen. Das könnte ich nun so weiterspinnen, aber ich denke ihr wisst, wo das endet.“

„Ach geht mir fort mit diesem Krieg! Alles Korn haben die aufgekauft. Ja, sie haben dafür bezahlt, keine Frage. Ein Beamter kam mit ein paar Bütteln. Der Beamte hat ausgerechnet, wie viel man für Familie, Aussaat und Vieh braucht bis zur nächsten Ernte und den Teil hat er gelassen. Den Rest hat er mitgenommen. Man hatte keine Wahl, ob man verkaufen wollte oder nicht. Beim Peturhof hat aber ein Sturm ein Loch ins Dach gemacht und einen Teil vom Korn verdorben. Und nun müssen sie wohl beim Vogt um Brot betteln, wenn sie über den Winter kommen wollen. Die Handwerker im Dorf unten, die können kaum noch Wandergesellen anstellen. Sie hätten mehr als genug Arbeit und Geld auch, um sie zu bezahlen. Aber für das Geld kann man kaum Brot kaufen und was soll der Geselle beißen, damit der Hunger vergeht? Mögen die Viere geben, dass der nächste Frühling früh kommt, denn sonst wird die Suppe noch dünner, als sie eh schon ist.“

„Wart ihr schon mal im Hafen? Oder im Handwerkerviertel? Jedes zweite Schiff fährt nun in den Norden, um die Truppen zu versorgen. Die Handwerker machen nun mehr Schwerter, Spieße und Rüstungen, statt der Dinge für den Alltag, die sie früher machten. Wenn ihr einen neuen Kessel kaufen wollt dann kostet der doppelt so viel wie vor ein paar Jahren. Die Händler haben kaum genug Waren zu verkaufen, um einen Kahn zu füllen. Und einen Kahn zu mieten kostet Unsummen. Natürlich verdienen die Handwerker gut, aber die Händler gehen vor die Hunde. Es gibt ja kaum was zu handeln.“

„Ihr fragt, ob Fürst Leomar alles im Griff hat? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Der ist seit vielen Monden im Süden von Stueren. In diplomatischer Mission, wie man sagt. Er reist wohl zwischen den Neun Städten hin und her und versucht eine Allianz für die unsrige Sache zu schmieden. Er scheint dort wohl einige Erfolge zu haben, aber genaues kann und darf ich nicht sagen. Mehr Sorge macht mir aber das Fürstentum. Leomar regiert hier durch seine Stellvertreter in den Hohen Ämtern und mittels Anweisungen aus dem Felde. Das reicht fürs Grobe und Ganze, aber die Kleinigkeiten bleiben auf der Strecke. Die ungeklärten Rechtsstreitigkeiten türmen sich auf, weil der Fürst als Richter und Schlichter fehlt. Auch auf der Drachentrutz sind viele Kleinigkeiten offen, trotz engagiertem Burgvogt Kerstan von Tuachall. Eben die Fragen, die man dem Fürsten zwischen Tür und Angel stellte. Ja, die großen Angelegenheiten des Fürstentums sind gut geregelt, aber die Kleinigkeiten? Und seine Gemahlin kann auch nicht alles abfangen, schließlich muss sie auch Tlamana regieren. Ob das schlimm für unser Land ist? Im Moment nicht, aber auf Dauer wohl schon. Ein stolzer Palast zerfällt nicht von heute auf morgen. Es beginnt mit kleinen Rissen. Die Risse aber wachsen, das sehe ich. Hoffentlich kommt er bald wieder, unser Fürst.“

„Krieg? Keine Opfer? Eine Lüge! Natürlich gibt es Opfer! Unser Ort sandte 20 tapfere Männer aus. 20! Und ein Jahr später, da kamen nur noch 14 zurück. Wo die anderen waren? Im Feld geblieben. Tot. Mausetot! Einige hätten die Höfe der Väter übernehmen sollen und nun ist kein Erbe da. Andere hinterließen Frauen und Kinder, die nun selbst schauen müssen, wo sie bleiben. Von den 14 aber, die zurückkamen sind auch nicht alle gesund. Drei haben tiefe Wunden erlitten. Von denen geht es dem Majes noch am besten. Der hat ein Auge verloren. Sieht nicht hübsch aus, aber wenigstens kann er seine Arbeit als Bauer noch machen. Der Wiedemann, der war Drechsler und dem haben sie eine Hand abgeschlagen. Nun sitzt er in Lumpen unten am Südtor und bettelt sich sein Brot zusammen. Drechseln mit einer Hand, das geht einfach nicht. Am unheimlichsten ist es aber beim Jockel. Der sitzt den ganzen Tag mit starrem Blick auf dem Hof. Mal sagt er fünf Tage nichts, mal redet er wirres Zeug, mal schlingt er die Arme um seinen Leib und wiegt sich selbst. Sie sagen er würde auch nachts da sitzen. Er war mal groß, stark und schön, jetzt ist er wie ein Gespenst und seine junge Frau, die verzweifelt an ihm. Der Leib vom Jockel hat nichts abbekommen, aber der Krieg hat seine Seele getötet, so sagen manche.“

„Man muss machen, dass der Krieg weggeht, sagt meine Mama. Ich will meinen Papa wieder haben und wenn der Krieg weggeht, dann kommt der Papa wieder, sagt die Mama. Mama muss auch viel weinen wegen dem Krieg. Ich mag nicht, dass die Mama weint.“

Der geneigte Leser möge selbst darüber befinden, wie diese Meinungen von verschiedenen Drachenhainer Bürgern zu verstehen sind.

Gesammelt und zusammengestellt in den Xurlmonden des Jahres 42 n.A.III,
vom Freien Schreiberling Henman Jettenstall

Kratorpolis, Tagesbericht der Kommandantur

Kratorpolis, Tagesbericht der Kommandantur, vom 26. Tag des 1. Xurl, 38 n.A.III:

Es wurde die Flucht des gefangenen Wilderers gemeldet. Am Morgen war seine Zelle leer aufgefunden worden, Schloss und Gitter waren jedoch unbeschädigt. Entsprechende Untersuchungen sogleich in die Wege geleitet worden – bislang ohne sinnvolle Ergebnisse.

Kommandanturschreiber Hectur aus der Krume

Kratorpolis, Tagesbericht der Kommandantur

Kratorpolis, Tagesbericht der Kommandantur, vom 25. Tag des 1. Xurl, 38 n.A.III:

Übernahme eines Gefangenen von der äußeren Wachtruppe Nord:

Kurz nach der 9. Stunde des Abends bat jener Gefangene um ein Gespräch beim Kommandanten, er habe eine Botschaft zu überbringen. Nach Rückfrage beim Kommandanten fand dies positiven Bescheid. Der Gefangene ward vorgeführt und verkündete folgende Botschaft: „Allein in der Dunkelheit sehe ich das Licht. Merkt euch diese Worte – ihr werdet sie nicht das letzte Mal hören. Versteht sie, bedenkt sie. Das Licht zu sehen ist eine Gabe, die nicht alle besitzen. Doch es ist auch eine Bürde, die euch noch viel abverlangen wird. Denkt daran, wenn man auf euch zutritt und den Preis dafür einfordert.“

Danach schwieg der Gefangene beharrlich, worauf man ihn wieder in seine Zelle brachte.

Kommandanturschreiber Hectur aus der Krume

Kratorpolis, Tagesbericht der äußeren Wachgruppe Nord

Kratorpolis, Tagesbericht der äußeren Wachgruppe Nord, vom 25. Tag des 1. Xurl 38.n.A.III:

In einem als Schanzgebiet gekennzeichnetem Waldstück wurde ein Fallensteller, offenbar bei der Wilddieberei, gestellt und verhaftet. Beim nachfolgenden Verhör wollte der Gefangene keine Aussagen machen. Er wurde bis zur weiteren Untersuchung inhaftiert. Sonst keine weiteren Vorkommnisse.

Weibelin Belra Purl

Bericht der Navigatorin Elisabeth Wolkenstein

Bericht über die Mission Messerheide, 24.-26. Tag 1. Xurl 38, Navigatorin Elisabeth Wolkenstein

Frohntag zur 8 ½ Abendstunde

Nach der Landung im Grenzgebiet erreiche ich nach einem längeren Fußmarsch im Regen das Lager Messerheide. Während ich die Wirtsleute nach Herrn v. Klingenthal frage, tritt ein Bediensteter des Hauses mit einer ellengroßen Amphore hinzu und gibt bekannt, er hätte diese soeben beim Aushub einer neuen Latrine entdeckt. Der Fund wird mit einem Achselzucken abgetan. Ich erhalte die Information, Herr v. Klingenthal befinde sich bei einem Unterstand auf der großen Lagerwiese. Ich erstatte Bericht über die Anladung mehrerer vermutlich feindlicher Personen in der Nähe. Klingenthal erläutert daraufhin die Mission und die Hintergründe zur Befreiung des Kindes derer von Drachenhain und kündigt die Notwendigkeit einer Nachtwache an. Nach der Ansprache entdecke ich in der Menge Herrn Expeditionsmagus Schwichtenberg.

10. Stunde

[ZENSIERT]

10 ½ Stunde

Die Amphore taucht wieder auf. Sie wird interessant, als mehrere Personen nach einer Berührung in eine Art Trance verfallen und Stimmen hören. Die Gelehrten ziehen sich daraufhin mit dem Gefäß in das große Zelt eines Tatzelfelser Vogtes zurück. Zeitgleich kommt es zu einem Scharmützel außerhalb des Lagers. Offenbar ist die Gruppe angelandeter Stuerener in blauen Waffenröcken von unserer Anwesenheit auf der Messerheide vollkommen überrascht und ins offene Schwert gelaufen. Bei einem Toten findet man eine Karte und zwei Blätter mit verschlüsseltem Text. Da ich heute nichts weiter tun kann, helfe ich der Gelehrten Anais aus dem Tatzelfelser Gefolge bei der Entzifferung des Codes.

1 ½ Morgenstunde

Den Gelehrten ist es inzwischen gelungen, mit der Stimme aus der Amphore Kontakt aufzunehmen. Offenbar handelt es sich um ein ehemaliges Ratsmitglied einer untergegangenen Kultur, dessen Asche in der Amphore bzw. Urne hier bestattet wurde.

Redontag zur 10. Morgenstunde

Die Karte zeigt den Jolborn, das Sumpfgebiet am heligonischen Ufer und die Lage der Messerheide im Waldgebiet. Die roten Linien müssen demnach Wildwechsel sein, auf denen verschiedene feindliche Gruppen anlanden und zum Sammelpunkt weiter östlich marschieren sollen. Wenn man also eine Marschdauer von etwa 1 Stunde vom Fluß zur Messerheide annimmt, müßte uns eine Gruppe in Kürze passieren. Herr v. Klingenthal stellt darauf einen Trupp zusammen, der die Stuerener laut Wegplan abfangen soll. Nach mir erläutert Herr Schwichtenberg die neuesten Erkenntnisse rund um die Urne. So berichte der Geist darin von weiteren neun Ratsmitgliedern eines Volkes namens Dunam, mit denen er zusammengebracht werden wolle, auf dass man Rache an den verhaßten Stuerenern nehmen könne. Unter den Anwesenden wird Protest laut, ob man diesem Geist wirklich trauen könne. Die Gelehrten versichern, sie wollten nun erst mehr Informationen sammeln, bevor man an so etwas denke.

12. Mittagsstunde

[ZENSIERT] Herr v. Klingenthal schickt währenddessen Boten mit Nachricht an sämtliche Lager und Siedlungen der Gegend, die vor der geplanten Brandschatzung durch den „Fuchs im Hühnerstall“ warnen sollen, falls es nicht gelingt, alle Gruppen aufzuspüren. Währenddessen begeben sich die Gelehrten erfolgreich auf die Suche nach den anderen neun Urnen der Dunam, die offenbar symmetrisch um das Gehöft vergraben wurden.

1. Mittagsstunde

Balthasar, Geweihter der Poena, findet entfernt im Wald eine Rassel, ein Zeichen, dass das Rebenhainer Kind in der Nähe versteckt wird? Eine weitere Botschaft wird beim Feind gefunden und von Anais und mir übersetzt. Wir sind uns einig, dass wir das Kind vor den Stuerenern finden müssen, so dass es nicht über den Fluß gebracht werden kann.

1 ½ Mittagsstunde

Nach dem Mittagessen erläutern wiederum die Gelehrten den Stand der Dinge: So würde uns der „Rat“ eine höchst wirksame Waffe gegen die Stuerener anbieten, führt aber deren Natur nicht weiter aus. Bedingung dafür ist, dass wir von einer einfachen Mehrheit des Rates, der aus neun Mitgliedern und einem Sprecher besteht, für würdig gehalten werden. Die Gelehrten halten sich bereits dreier Stimmen für sicher und wollen weiter verhandeln.

2 ½ Mittagsstunde

[ZENSIERT] …entdecke ich darauf mit dem Spektiv auf dem gegenüber liegenden Hügel eine größere Gruppe Feinde in roten Waffenröcken. Da es sich offenbar um den Sammelpunkt handelt, beschließt Martin Dorn, das Lager anzugreifen. Im darauf folgenden Kampf stellt sich der Feind als deutlich überzählig heraus, nur durch unsere große Zahl an Bogenschützen kann die Schlacht zu unseren Gunsten entschieden werden. Während des Verlaufs sind plötzlich Hilfeschreie hinter unserem Rücken zu hören: Die Elfe Miriel, Leibwächterin des Rebenhainer Kindes, hat ihren Schützling hinter den Linien entdeckt und sich damit freigekämpft. Schnell kehrt eine Gruppe mit dem kleinen Crispianus zurück in die Sicherheit des  Gehöfts.

4. Abendstunde

Herr v. Klingenthal befürchtet zurecht einen baldigen Angriff der Stuerener auf den Gutshof und teilt Wachen und Kämpfer ein. In der Tat dauert es nicht lange, und eine ansehnliche Streitmacht marschiert mit Banner, Trommel und Fanfare den Weg herauf. Der Anführer [ZENSIERT] bietet Frieden bei der Aushändigung des Kindes an, was natürlich strikt abgelehnt wird. [ZENSIERT] Die darauf folgende Schlacht verläuft für uns zum Glück positiv, auch wenn es den Angreifern fast gelingt, zum Kind in die Taverne vorzudringen. Das erbeutete Banner zeigt einen weißen Löwen auf schwarzem Grund, der auf seinen Hinterläufen steht.

6. Abendstunde

Herr Schwichtenberg teilt mit, dass die Verhandlungen wohl vor dem Abschluß stehen und man zuversichtlich sei, die Abstimmung für sich zu entscheiden.

9. Abendstunde

Die Gespräche ersterben, als zehn seltsam aussehende Gestalten den Raum betreten. Die unheimliche Ausstrahlung macht schnell deutlich, dass es sich um die Geister des Rates der Dunam handeln muss, die nun ihre Urnen verlassen haben. Sie sehen sich in der Taverne um, bemängeln die plötzliche Stille und bitten alle nach draußen, da man jetzt bereit sei, uns die Waffe auszuhändigen. Neugierig folgen wir hinaus auf die Wiese. Zu unserem Entsetzten erwartet uns dort eine größere Gruppe Stuerener, die jedoch schweigend verharren, wohl aus Respekt gegenüber den Geistern. [ZENSIERT] Da sie nun in uns ein Werkzeug ihrer Rache an Stueren gefunden hatten, konnten die Geister endlich Ruhe finden: Bei der Waffe handelt es
sich um ein „brennendes Banner“, das die Stuerener mit großer Angst erfüllen soll, dazu erhielten wir vom Ratssprecher eine Beschwörungsformel, deren genauer Wortlaut sich ebenfalls im Besitz von Herrn Schwichtenberg befindet. Anschließend öffneten die Gelehrten nacheinander alle zehn Urnen und verstreuten deren Asche in den Wind, so dass die Geister in die verdiente Ewigkeit entschwanden. Im gleichen Augenblick kam Leben in die Stuerener Linien. Während sich Soldaten und Söldner tapfer verteidigten, skandierten die Gelehrten immer wieder die Beschwörungsformel. Lange geschah nichts, so dass wir schier verzweifelten. Plötzlich flammte jedoch hinter den feindlichen Linien ein großes Banner in der dunklen Nacht auf und brannte hell über dem Schlachtfeld. Wenige Augenblicke später waren die Stuerener besiegt oder ergriffen endgültig die Flucht. Ein anwesender Borharconer starrte das langsam verlöschende Banner fassungslos an und meinte zu uns, dies wäre ihm wohl aus vielen alten Sagen bekannt, aber er schätze sich nun glücklich, dieses kostbare Artefakt wirklich mit eigenen Augen gesehen zu haben!

Navigatorin Elisabeth Wolkenstein, am 28. Tag des 1. Xurl 38

Flussfahrt zur Leomark – der Rote Jäger

So machten sich die Männer und Frauen also auf zum Jolborn, um von dort gen Leomark zu reisen. Als sie schließlich den Fluss erreichten erwartete sie bereits das Schiff, welches neue Vorräte und Mannen für Hadriansblick herbeibringen und die Gruppe um Ritter Samuel fortbringen sollte. Schleunigst betraten alle das Schiff, man hatte keine Zeit zu verlieren. Schon auf der Burg hatte Ritter Samuel den Borharcônerfrauen – Denatha vom Stamme der Korlkei, aus der Sippe der Irl und Kelene, die sich Diante der Maroncu nannte – angewiesen, heligonische Kleidung zu tragen und das Kind Meorte zu tarnen, auf dass der Feind nicht er kenne, wer sich da im Schiff befinde. Kelene wies dies lautstark zurück, wollte sich gar einen Streit mit dem Ritter, den beide Frauen – Denatha respektvoll, Kelene abfällig – nur „Kardvarat“ ansprachen, erlauben, doch dieser duldete kein Widerwort und erklärte den Disput für beendet, bevor er überhaupt ausgetragen werden konnte. Einzig ihre Ehrenzeichen ließ er sie weiterhin tragen, wenn auch unter Umhang und Mantel versteckt. Auch der Ritter selbst trug keine Anzeichen seines Ranges, den Waffenrock hatte er abgelegt und das Drachenhainer Schwert in eine schwere Decke eingeschlagen. In seinem groben, braunen Mantel war er kaum von den anderen Soldaten an Bord zu unterscheiden. Und so legte das Schiff ab, auf dass man bald zu diesem Vorposten zurückkehre, um einen weiteren Schritt im anbrechenden Zwist zu machen. Gerade wurden die Seile gelöst und die Segel den Jolborn hinauf, in Richtung der Leomark gesetzt, da wurde der Blick der Mannen und Frauen an Bord zum gegenüberliegenden Flussufer gelenkt, von wo lautes Getöß von brechendem Holz und klirrendem Stahl zu vernehmen war. Plötzlich kam ein Hühne von einem Mann auf einem geifernden Ross sitzend aus dem Wald, schlank und doch mächtig, in bronzebeschlagener Rüstung, mit roter Mantel, das linke Auge mit rotem Stoff bedeckt, an der Seite ein Speer von Baumstammesgröße. Neben ihm zahlreiche Soldaten, ebenfalls in der blutigen Farbe. Schnell wurden Rufe laut auf der Schiff: der rote Jäger. Niemand hatte in den vergangenen Tagen und Wochen so recht erfahren, wer oder was dieser rote Jäger sei, doch die vagen Berichte reichten, um Entsetzen an Bord auszulösen, ein Entsetzen, ohne so recht zu wissen wovor. Doch was gerade noch die Vorstellung von Schlimmerem war wandelte sich in Sekundenfrist zur Gewissheit des Schreckens. Wie Blut sickerten aus dem Wald die Männer des roten Jägers, unzählige, bewaffnet mit Speer und Schwert, leicht in Leder gerüstet, die Augen voller Hass. Immer weiter quoll die rote Verderbnis aus dem Wald, erst zum Ufer, dann hinein ins Wasser, eine Hundertschaft muss es gewesen sein. An Bord machte man sich kampfbereit, griff zu Äxten, Schwertern und Stoßspeeren um den Angriff abzuwehren, Schilde wurden den Speeren entgegengehalten, die die roten Horden auf das Schiff zu werfen trachteten, das Ruder wurde herumgerissen, um möglichst großen Abstand zu den Angreifern zu gewinnen. Diese versuchten, das Schiff zu erreichen, warfen ihre Speere, doch waren die Drachenhainer schon zu weit entfernt, als dass die Waffen der Roten hätten treffen können. Da gab der Riese, der rote Jäger, ein Kommando an seine Mannen, auf welches diese ihre Versuche unterbanden und zurück an Land kamen. Kurz gab es eine Stille an Land und an Bord, eine ungewisse Stille. War man dem Angriff entgangen? Da stieg der Hühne von seinem Ross und schleuderte den baumlangen Speer mit einer Wucht, die keiner der Drachenhainer je gesehen, dem Schiff nach, wo es mit einem grässlichen Krachen in der Bordwand stecken blieb, die Spitze tief ins Holz gefressen, so dass auf der anderen Seite gar ein Stück wieder herausdrang. Doch dies blieb sein einziger Angriff, schnell entfernte sich das Drachenhainer Schiff, die blutrote Masse hinter sich zurück lassend. Und da verschwanden die Roten wieder im Wald, als ob sie nie da gewesen wären. Ritter Samuel von Turlach ordnete Männer in den Ausguck und Soldaten an die Reling, auf dass man gegen weitere Angriff gewappnet sei und gab dem Steuermann Befehl, schnellstmöglich zur Leomark zu segeln. Ob die Mannen in Hadriansblick von dem Angriff mitbekommen hatten und sich in der Feste zu verteidigen wussten konnte der Turlacher nur hoffen. Sein Auftrag war es jedoch, den Sorebramorer Spross und die Neuigkeiten aus Hadriansblick zu seinem Fürsten zu bringen. Die Fahrt ging ruhig und keine roten Röcke waren in den Wäldern zu erspähen, doch Ritter Samuel beließ die Sicherheitsmaßnahmen bei, bis man in der Leomark ankomme. Die Borharcônerin Denatha wich dem Kinde während der ganzen Zeit nicht von der Seite und verhielt sich stets ruhig. Im Gegensatz dazu machte Kelene aus ihrem Missfallen, diesen Auftrag erhalten zu haben, keinen Hehl und fiel den Drachenhainern immer wieder durch ihr abweisendes und teilweise auch aufsässiges Verhalten, insbesondere gegenüber dem Turlacher, auf. Doch der Ritter ließ sich auf derlei Gezänk nicht ein und wies die Borharcônerin streng in ihre Schranken. Zwei Tage später schließlich passierte man Kratorpoliser Boden, machte dort jedoch nicht halt, sondern segelte eilends weiter, so dass das Schiff am Nachmittag die Leomark erreichte.

 

Rapport des Ritters Hadrian von Sarras

Rapport des Ritters Hadrian von Sarras, bezüglich der Anwesenheit der fürstlich-drachenhainischen Expedition zur Erkundung des Bilchlands

Früh am Morgen des 12 Tages des dritten Xurlmondes brach ein Teil meiner Burgbesatzung Richtung Jolborn auf, um der anreisenden Expedition Platz zu machen. Gegen Abend erwarteten wir diese vor unserem Tor. Allerdings brach die Dunkelheit herein und die Erwarteten waren nicht eingetroffen. Zur Zeit kurz nach der achten Stunde hörten wir in einiger Entfernung Lärm im Wald. Wir bemannten die Mauern mit den wenigen Leuten die wir hatten und spähten und lauschten in die vollmondhelle Nacht.

Einige Augenblicke nachdem der ferne Lärm erstorben war, sahen wir eine Gruppe Reisender auf die Burg zu marschieren: die Expedition war eingetroffen. Im Wald am Fuße des Burgbergs waren sie in einen Hinterhalt geraten und hatten sich mit Soldaten eines bislang unbekannten „blauen Wächters“ ein siegreiches Gefecht geliefert. Rasch waren die Verwundeten versorgt, das Drachenhainer Banner gehisst, den von der Reise Gezeichneten Quartiere zugewiesen, sodass sich alle zum wohlverdienten Mahle setzen konnten. Kaum war dieses beendet, erschien am Tor eine fremdartig gekleidete Frau und bat um Einlass. Dies schien eine der Bilchländischen zu sein. Sie bat die Anwesenden um eine Unterredung im Wald. Nach kurzer Diskussion brach die Mehrzahl der Expeditionsteilnehmer in den Wald auf. Dort trafen sie einen Sippenanführer der Bilchländer, die sich selbst Borharcôner nennen. Dieser teilte ihnen mit, sie hätten möglicherweise Interesse an Gesprächen, diese würden aber erst am nächsten Tage mit einem Stammeshäuptling geführt werden können. Sie würden einen Boten auf die Burg schicken, falls tatsächlich Unterhandlungen stattfinden sollten. Eine weitere wichtige Sache erzählte er den Lauschenden: die Burg war ein Verfluchter Ort. Es sei Teil des Fluches, dass die Verfluchten selbst ihn nicht bemerkten. Die seit Längerem Anwesenden seien nicht mehr zu retten. Die Neuankömmlinge selbst hätten nur noch bis Mitternacht Zeit, sich dem Zugriff des heimtückischen Fluches durch eine Reinigung zu entziehen. Den meisten der Gäste gelang dies. Doch einige fielen mit uns, die wir unter dem Fluch waren, es aber nicht wussten, zu Mitternacht in einen Zustand in welchem wir nicht wir von unserem Geist selbstbestimmt waren, sondern unter der Regentschaft des Fluches. In dieser Zeit bereitete der Fluch uns auf eine Schlachtnacht vor, die mit hoher Sicherheit für uns tödlich geendet hätte. Nach einer halben Stunde war dieser Zustand beendet und ohne Erinnerung daran kehrten wir wieder zu unseren üblichen Tätigkeiten zurück. Im Laufe des Abends hatte es zudem noch einen Zwischenfall gegeben, bei dem einige der Expeditionsteilnehmer zwei Statuetten, die von alters her auf der Burg aufgestellt waren, entwendet hatten und erst nach einer Zeit des Lügens und Verbergens wieder heraus gaben. Hier hatten sich Einzelne nicht mit Ehre gekränzt. Mit dem Plane, den Fluch möglichst rasch, am besten am nächsten Tage, zur Rettung der Leben aller zu brechen, begaben sich alle zu Bett. Dieser Tag begann dann anders als erwartet. Nur kurz nach dem Frühstück baten zwei Ritter um Einlass. Von ihrem Lehensherrn dazu verurteilt eine einjährige Queste zu bestehen waren sie verzweifelt auf der Suche nach Duellpartnern. So kam es, dass nach Auslosung Ritter Martin Dorn und ich gegen die beiden fahrenden Herren antraten, bis nach dem ersten Blut der Sache der Ehre genüge getan war. Plötzlich flog ein Pfeil über die Burgmauer. Bilder waren auf einem um den Schaft gewickelten Zettel gemalt. Nach einiger Zeit waren wir uns einig, dass uns kurz vor Mittag ein Angriff drohte. So machten wir uns bereit. Tatsächlich stürmte zur angegebenen Zeit eine Gruppe Bewaffneter aus dem nahen Wald und zerstörte mit einer Ramme unser Tor. Dann entspann sich ein harter Kampf aus dem sich die Angreifer nach einiger Zeit zurückzogen um wieder im Wald zu verschwinden. Kaum war der Angriff zurückgeschlagen und waren die Verwundeten versorgt, flog ein weiterer Pfeil mit einer Nachricht über die Mauer. Hier gingen die Meinungen, was die Botschaft bedeuten sollte, eher auseinander. Sicher war aber, dass zu einer bestimmten Zeit des Nachmittags sich etwas über den Fluss nähern würde. Wir setzten uns zum Mittagsmahle und teilten uns danach nach verschiedenen Aufgaben in Gruppen auf. Doch die Ausführung der Pläne wurde durch einen sehr unangenehmen Zwischenfall verzögert: Das Essen war vergiftet gewesen und beinahe alle wanden sich in schlimmen Krämpfen. Erst nachdem die Geweihten entsprechende Tränke zubereitet hatten, trat eine Besserung ein. Zum guten Glück waren fähige Geweihte anwesend! Endlich konnte dann das Geplante angegangen werden. Die Besatzung blieb zurück um die Burg zu halten, ein Teil der Gelehrten verfolgte wie schon am Vormittag eine Spur weiter, die zu Informationen über den Fluch führen sollte und der größte Teil der Expedition begab sich ins Tal um zu sehen, was sich auf dem Fluss nähern sollte. Während diese Gruppe unterwegs war, traf ein Händler ein, der versuchte, Lebenskraftnüsse, welche die Schamanin am Abend zuvor als Geschenk gegeben hatte, zu erhandeln. Außerdem erschien eine Gruppe teils Verwundeter Leute, die sich als Flussschiffer auf der Flucht vor Flusspiraten ausgab. Als die Gruppe, die ins Tal abgestiegen gewesen war ohne jemandem oder etwas begegnet zu sein, zurückkam versuchten wir von den Neuankömmlingen jeweils mehr zu ihrem Hintergrund zu erfahren. Es stellte sich heraus, dass der Händler die Wahrheit sprach und an echtem Handel interessiert war. Auch über die Borharcôner konnte man einiges von ihm erfahren.

Die Flussschiffer aber erwiesen sich im Laufe der Zeit als zwielichtige Gestalten. Es war wohl genau anders herum als vorgegeben: Dies waren Flusspiraten auf der Flucht vor der ostarischen Obrigkeit. Ein Teil konnte am End festgesetzt werden, zweien gelang die Flucht. Inzwischen hatten die Gelehrten nach mühevoller Kleinarbeit ein Paket Dokumente entdeckt, das nähere Informationen über den Fluch enthielt. In diesen wurde dargestellt, wie die Borharcôner die Burg verflucht hatten und die Stuerener zwei ganze Besatzungen verloren, ehe sie die Burg aufgaben. Auch Hinweise, wie der Fluch zu brechen sein könnte, waren enthalten. In den weiteren Stunden waren die Gelehrten damit beschäftigt, aus diesen Ansätzen einen sinnvollen Ritus zum Brechen des Fluches zu entwickeln. Die Ereignisse überschlugen sich den Nachmittag über: Ein weiterer Giftanschlag – diesmal auf einzelne Expeditionsteilnehmer – wurde entdeckt und dann die Täterin aufgedeckt. Eine gefährliche stuerenerische Spionen war so unschädlich gemacht worden.

Inzwischen war ein Quartett Borharcôner mit einem ungewöhnlichen Anliegen auf der Burg aufgetaucht: Sie wollten Rat und Richtspruch in einem komplizierten Rechtsfall. Auch diese Angelegenheit konnte von den Mitgliedern der Expedition zur Zufriedenheit geklärt werden. Eine weitere Gruppe war unterwegs, um für das Brechen des Fluches relevante Pflanzen zu pflücken. Unterwegs wurden sie in ein schweres Gefecht mit Stuerenern verwickelt, das sie aber siegreich beenden konnten. Allerdings waren viele Verwundete zu beklagen, die schnell auf die Burg gebracht und versorgt werden mussten. Danach konnten wir uns zum Abendmahle niedersetzen. Bald waren die Vorbereitungen betreffs des Fluches abgeschlossen. In einem längeren göttergefälligen Ritual konnte der Fluch erst sichtbar gemacht und dann beendet werden.

Kaum aber war der Fluch gebrochen, wurde unser nur notdürftig repariertes Tor von einer Gruppe schwer bewaffneter Stuerener aufgebrochen und wir wurden in einen heftigen Kampf verwickelt. Mit Verlusten konnten wir auch diesen Angriff abschlagen. Es drängte sich aber der Verdacht auf, dass jemand den Stuerenern verraten hatte, dass die Burg jetzt nicht mehr verflucht war und es sich nun lohnte, sie wieder zu besetzen.

Es war schon spät jetzt, da näherte sich die Schamanin wiederum unserem nun vollends geborstenen Tor. Sie lud die Delegation zu einer weiteren Unterredung im nahen Wald ein: Es sei nun ein Stammesführer mit wichtigen Botschaften eingetroffen. So machte sich die Delegation nochmals auf, teils schon mit blutigen Verbänden, in den nächtlichen Wald zu marschieren. Auf einer größeren, durch Fackeln erleuchteten Lichtung trafen sie auf den Stammesfürsten der hiesigen Borharcôner. Dieser teilte ihnen mit, dass sie im Laufe des Tages von ihnen durch das Schicksal, die Götter und sie selbst verschiedene Prüfungen unterzogen worden waren. Dies erklärte auch viele der scheinbaren Zufälle des Tages. Die Prüfungen hätten die Heligonier gut bestanden. Daher wolle man das eigene Schicksal in deren Hände legen. Sie übergaben den Verblüfften ein Kind, auf dem wohl die Hoffnung ihres Volkes ruht. Eine Weissagung besagt, dass das Kind, zum Manne gereift, das Volk der Borharcôner aus der Unterdrückung durch die Stuerener führen werden wird. Sie legten dar, dass sie seit einem Jahr mit dem Kind auf der Flucht seien, dass sie am Ende ihrer Kräfte seien und nun das Kind in guten Händen wüssten. Gerade als den Heligoniern das Kind übergeben werden sollte, zeigte es sich, dass die Verfolger näher waren als gedacht: Stuerener stürmten auf die Lichtung und es entsponn sich ein letzter Kampf zwischen schwer gerüsteten Stuerenern einerseits und teils verletzten Heligoniern und leicht bewaffneten Borharcôner andererseits. Auch dieses Gefecht konnte mit letzter, vereinter Kraft gewonnen werden. Allerdings entpuppte sich dabei ein weiterer Teilnehmer der Expedition als Spion und verletzte das Kind auf den Tod. Da opferte sich in höchster Not und Dramatik die Schamanin der Borharcôner und gab ihr Leben für das des Kindes mit ihrem Lebenshauch. Zuletzt waren sich die beteiligten Heligonier und Borharcôner sicher, dass alle Stuerener Kräfte in der Gegend aufgerieben waren und so konnten sich die erschöpften Frauen und Männer nach der Rückkehr auf die Burg noch einen Schoppen Bier oder einen Gewürzwein gönnen.

Bereits am nächsten Tag musste so die Abreise der Gesandtschaft und die Rückkehr meiner restlichen Leute vorbereitet werden. So wird die Gesandtschaft nun mit einem überraschenden Präsent bei Fürst Leomar vorsprechen können und die Mission, Kontakt zu den Borharcônern herzustellen, als erfüllt vermelden können.

 

Gezeichnet, Ritter Hadrian von Sarras, zu Hadriansblick.

Im III. Xurl des Jahres 36 nach Helos Aximistilius III.